Stadt der Clowns

Stadt der Clowns

Aus dem amerikanischen Englisch von Friederike Meltendorf

Quartbuch. 22.8.2012
192 Seiten. Gebunden mit Schutzumschlag
20,– €
ISBN 978-3-8031-3245-1
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Ein Land – Peru –, in dem Strommasten in die Luft gesprengt werden und der Krieg bei Kerzenschein geführt wird, und eine Stadt – Lima –, in der sich die Bettler als Clowns verkleiden: Dieses Buch beweist, dass Alarcón zu Recht als einer der besten jungen amerikanischen Autoren gilt.

Mitten in der chaotischen Millionenstadt Lima begegnen wir dem jungen Journalisten Óscar, der eine Reportage über als Clowns verkleidete Bettler schreiben soll, und dem Lastwagenfahrer Gregorio Rabassa. Wir werden Zeugen davon, wie ein junger Mann, El Pintor, sein Kunststudium abbricht und sich der Guerilla anschließt, um die Bewohner Limas mit schwarz angemalten Hunden zu erschrecken, und begleiten den zehnjährigen Maico zu seiner Arbeit an eine der dichtbefahrenen Straßenkreuzungen der Stadt, wo er sich Tag für Tag mit einem Blinden um seinen Lohn, ein paar kümmerliche Münzen, streiten muss.
Wie schon in seinem großartigen Roman Lost City Radio entwirft Daniel Alarcón in seinen hochgelobten Erzählungen die Szenerie einer Stadt zwischen Verzweiflung und Hoffnung. Für Alarcón gibt es nichts Privates, das nicht zugleich politisch wäre und umgekehrt; das Leben und das alltägliche Überleben seiner Protagonisten – und manchmal auch ihr Sterben – spiegeln im Kleinen die ungelösten Konflikte einer Gesellschaft im Umbruch.

Daniel Alarcón

© Susanne Schleyer

Daniel Alarcón

Daniel Alarcón, 1977 in Lima geboren, lebt in Oakland/USA. Seine Kurzgeschichten erschienen u. a. im New Yorker und wurden 2006 unter dem Titel »War by Candlelight« für den PEN-Hemingway Award nominiert. Der Mitherausgeber der peruanischen Literaturzeitschrift Etiqueta Negra erhielt 2007 für seine Arbeit in den USA ein Guggenheim-Stipendium und wurde sowohl von der Zeitschrift GRANTA als auch vom Smithsonian Magazine in die Liste der besten Nachwuchsschriftsteller aufgenommen. »Lost City Radio« stand auf der Shortlist des besten US-amerikanischen Debütromans.

»Dieses Buch ist schlicht brillant.« Florian Schmid, Der Freitag

Leseprobe

Wir waren zehn und trugen alle denselben Namen: Compañero. Außer mir. Mich nannten sie Pintor. Zusammen bildeten wir im trüben Licht gleich hinter der Plaza so etwas wie einen Kreis um einen toten Hund. Alles war in Nebel gehüllt. Unser erster revolutionärer Akt, unsere erste Verlautbarung an die Nation. Wir hängten Hunde an alle Straßenlaternen und versahen sie mit wütenden markigen Slogans, Sterbt, ihr kapitalistischen Hunde, und dergleichen. Wir ließen die Hunde hängen, die Menschen sollten sehen, welcher Fanatismus in uns steckte. Mittlerweile ist klar, dass wir niemanden sehr verängstigten, sondern die Leute eher verärgerten und ihnen nur unsere merkwürdige Manie, unsere Verehrung frivoler Gewalt vor Augen führten. Die Angst kam später. Straßenhunde ermorden in den trüben grauen Stunden vor Sonnenaufgang, am Morgen des Unabhängigkeitstages, dem 28. Juli 1979. Anständige Menschen schliefen, wir aber machten Krieg, formten ihn mit unseren Händen, unseren Messern und unserem Schweiß. Alles lief gut, bis uns die schwarzen Hunde ausgingen.
Einer der Compañeros hatte angeordnet, dass alle Hunde schwarz zu sein hätten, und es stand uns nicht zu, dies in Frage zu stellen. Eine ästhetische Entscheidung, keine praktische. In Lima gibt es einen schier unerschöpflichen Bestand an Kötern, doch nicht alle sind schwarz. Gegen zwei Uhr kippten wir schwarze Farbe auf beige, braune und weiße Köter, die sich mit rötlichem Fell in letzten Atemzügen wanden. Aufgrund meines einstigen Talents mit dem Pinsel übertrug man es mir, die nicht ganz Schwarzen anzumalen.

Pressestimmen

»Zehn Jahre lang terrorisierte die maoistische Gruppe ‚Sendero Luminoso' (Leuchtender Pfad), gegründet von einem Philosophieprofessor, ganz Peru. Vor diesem Hintergrund erzählen die kühl beobachtenden, psychologisch genauen Geschichten von Daniel Alarcón vom verstörenden Alltag in einem Land, in dem die Hälfte aller Einwohner jünger als 24 Jahre ist, arm und hungrig nach Erfolg. In jeder Geschichte ist eine spröde Liebeserklärung an dieses Land versteckt. Sie sind stolz, die Bewohner von Lima, sie haben sich jedes ihrer Viertel erkämpft – so wie Los Miles, das Hunderte in einer Nacht erbauen, aus Decken und Wellblech, denn ‚fertige' Häuser dürfen nicht niedergewalzt werden. Wie im Zeitraffer rollt Alarcón in seinem Roman die Schichten eines prekären Lebens auf, von den hochemotionalen politischen Anfängen über das schwierige Eheleben bis zu der immer stärker werdenden Neigung, ‚große Ideen in unlösbaren Knoten persönlicher Angst zu bündeln'. Aber der in den USA zu Recht hochgeschätzte Autor kann auch in ganz zarten, poetischen Bildern erzählen – wie dem von jenem verbogenen Kupferdraht in der Hosentasche des blinden Ramón, seiner Landkarte, dank der er sich noch nie verirrt hat.«

Nicole Henneberg, Der Tagesspiegel

 

»Daniel Alarcón versteht es auf geniale Weise, mit verschiedenen Erzählsträngen ganze Biografien en miniature zu entwerfen. Dabei klingt seine Prosa ebenso pointiert wie lyrisch, eine Mischung, die selten so gut funktioniert wie hier. Es ist kein Wort zu viel oder zu wenig. Das Buch ist schlicht brillant. Vor allem das Gefühl der Verlorenheit in einer fremden Stadt weiß Alarcón literarisch abzubilden. In den Erzählungen geht es auch immer wieder um Grenzen, die gezogen oder überwunden werden, die unsichtbar bleiben oder sichtbar gemacht werden. Dabei spielen soziale Ausgrenzung und die Überwindung schichtspezifischer Barrieren ebenso eine Rolle wie die Migration vom Land in die Stadt und die damit verbundenen Hoffnungen, Sehnsüchte und Rückschläge. Alarcóns Prosa ist sozialkritisch und politisch, gleichzeitig hat sie einen sehr coolen Sound. Die soziale Ästhetik zumeist männlicher, großstädtisch-migrantischer Identitäten wird in eine von Pop inspirierte, anspruchsvolle Literatur übertragen. Diesen jungen lateinamerikanischen Autor aus den USA sollte man weiterhin definitiv im Auge behalten.«

Florian Schmid, Der Freitag

 

»In diesem Buch trifft man immer wieder auf Sätze, die einen einfach nicht entkommen lassen. Die meisten der hier versammelten Erzählungen sind vor Alarcóns Debüt ‚Lost City Radio' entstanden, für das er in Berlin den Internationalen Literaturpreis erhielt. Aber sie sind ebenso preiswürdig. In ihnen bekommen wir es mit einzelnen Figuren zu tun, mit ihrer Einsamkeit, ihrer Unruhe und Zerrissenheit, noch dazu mit ihrem oft dreckigen Kampf ums Überleben.«

Ralph Hammerthaler, Süddeutsche Zeitung

 

»Alarcón schlägt Funken nicht mit Dramatik, sondern mit glaubwürdig geschilderten politischen, sozialen oder ganz einfach menschlichen Konflikten. Wenn ein Guerillero seiner Frau verspricht, nicht mehr zu seiner Einheit zurückzugehen, sondern bei ihr und dem Neugeborenen zu bleiben, oder wenn auch die Ärmsten der Armen perfide Bosheiten verüben, dann liegt nicht auf der Hand, wie die Sache ausgeht. Glücklicherweise neigt der Autor nicht zu simplen Lösungen.«

Valentin Schönherr, Die Wochenzeitung

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