Von den Festen Pessach, Chanukka oder Purim bis hin zum Gedenken an die großen Wellen der Vernichtung: Das Judentum ist geprägt von der Erinnerung. So bildet der biblische Imperativ »Sachor: Erinnere Dich!« die Grundlage für die gemeinsame Identität und das Überleben der Juden als Gemeinschaft. Umso erstaunlicher ist, dass sich im Gegensatz zu vielen anderen zeitgenössischen Kulturen in der jüdischen Tradition seit der Zerstörung des Tempels und dem Beginn der Diaspora bis zur Moderne praktisch kaum eine Geschichtsschreibung findet.
In seiner wegweisenden Untersuchung geht Yosef Hayim Yerushalmi dem Paradox einer Geschichtsbetrachtung nach, die nicht auf die Vergangenheit ausgerichtet ist, und beleuchtet das Konkurrenzverhältnis von exakter, wissenschaftlicher Historiografie und identitätsstiftender, lebendiger Tradition. Dahinter steht die fundamentale Frage nach dem richtigen Gebrauch der Geschichte, der den Zusammenhalt der Gesellschaft ebenso betrifft wie die umkämpfte Erinnerung an den Holocaust.
Yosef Hayim Yerushalmi, geboren 1932 in New York, war Professor für Jüdische Geschichte und Kulturwissenschaften und Direktor des Center for Israel and Jewish Studies an der New Yorker Columbia University. Von 1987 bis 1991 war er Präsident des Leo Baeck Instituts in New York. 2005 wurde Yerushalmi mit dem Dr.-Leopold-Lucas-Preis der Universität Tübingen ausgezeichnet. 2009 starb er in New York.
Michael Brenner ist Inhaber des Lehrstuhls für Jüdische Geschichte und Kultur an der Universität München und Direktor des Center for Israel Studies an der American University in Washington, D.C., sowie u.a. Präsident des Leo Baeck Instituts.