Schwarzes Kleid mit Perlen
Aus dem kanadischen Englisch von Brigitte Jakobeit
sofort lieferbar
Shirley Kaszenbowski, geborene Silverberg, eine bürgerliche Frau mittleren Alters, trägt ein schwarzes Kleid und dazu eine Perlenkette. In dieser Ausstattung verlässt sie ihren Mann, um ihrem Geliebten Coenraad hinterher zu reisen. Eine kuriose Odyssee beginnt.
Die auf Postkarten festgehaltenen Erinnerungen an gemeinsame Nächte in Barcelona, Genua oder Hongkong trägt Shirley immer bei sich. Ihr Geliebter Coenraad ist in geheimer Mission unterwegs und dabei ein Meister der Verwandlung. Getarnt als Kellner, Obdachloser, Touristenführer oder Verkäufer erkennt ihn Shirley zumeist nur an seiner Stimme, wenn überhaupt. Um Hinweise auf ein Rendezvous zu entdecken, muss sie versteckte Botschaften im »National Geographic« finden und entschlüsseln. In Erwartung der nächsten Nachricht irrt sie durch Museen und Hotellobbys – mit offenem Herzen und ungebrochenem Elan. Währenddessen wird sie in vielen absurden Begegnungen auch mit ihrer bewegten Vergangenheit und Erinnerungen an ihre verrückten Eltern konfrontiert.
Bei ihrer Heimkehr findet Shirley nicht nur ein völlig umdekoriertes Haus vor, sondern auch eine neue Frau im Ehebett. Sie legt sich kurzerhand als Dritte dazu. Dann aber zieht die ebenso eigenwillige wie tatkräftige Shirley lieber wieder hinaus in die Welt, dieses Mal ohne Perlenkette.
Weinzweigs skurriler Roman, der das Zeug zum Kultbuch hat, wurde von Brigitte Jakobeit, Trägerin des Heinrich Maria Ledig-Rowohlt-Preises, kunstvoll ins Deutsche übertragen.
© Heirs of Helen Weinzweig
Helen Weinzweig
Helen Weinzweig, 1915 in Radom (Polen) geboren, 2010 in Toronto verstorben, veröffentlichte im Alter von 65 Jahren »Schwarzes Kleid mit Perlen«, außerdem einen weiteren Roman und eine Erzählsammlung. Sie gilt als eine der wichtigsten kanadischen Autorinnen und war Vorbild für Alice Munro und Margaret Atwood.
»Dieser Roman wird zu Recht als Meilenstein in der Geschichte kanadischer Schriftstellerinnen und als Vorbild für Margaret Atwood und Alice Munro gefeiert.« Toronto Star
Leseprobe
Gehen Sie dort weg oder ich rufe die Polizei! rief die Verkäuferin.
Ihre Drohung amüsierte mich. Meine Mutter rief früher jeden Sonntag kurz nach dem Mittagessen die Polizei, wenn sich der Rest des Tages leer vor ihr erstreckte. Die Polizei hörte sich erst ihre Beschwerden an, dann die Gegenklagen der Vermieterin oder eines anderen Mieters oder des Mannes, mit dem sie gerade zusammenlebte. Verhaftet wurde niemand. Meine Mutter überschüttete sie mit uralten Flüchen.
Die Verkäuferin hatte jetzt ihren Platz hinter dem Ladentisch verlassen und stand in einer (vertraut) empörten Haltung zwischen mir und dem Vorhang: gespreizte Beine, Faust in der Luft, Bauch vorgestreckt. Zur gleichen Zeit trat sie nach einer kleinen grauen Katze, die sich hinter dem Vorhang vorgewagt hatte. Wir wussten beide, dass ich jetzt am Zug war.
Dann sah ich sie, die Registrierkasse, glänzend poliert wie Gold. Ich fühlte mich von ihr angezogen wie ein Schläfer von einem wiederkehrenden Traum. Ich drückte die Taste KEIN VERKAUF. Die Schublade sprang auf. Die Frau hatte einen guten Vormittag gehabt. Ich griff in jedes Fach. Erst die 1-Cent-, dann die 5-Cent-, -10-Cent- und 25-Cent-Stücke und warf sie in alle Richtungen. Viele Münzen landeten vor ihren Füßen. Der Impuls, die Kasse zu plündern, war nicht dem Augenblick entsprungen: Die Handlung hatte auf mich gewartet wie ein Instrument auf seinen Spieler. Die Katze huschte hinter den Vorhang zurück. Ich sah die Frau an, um festzustellen, was sie wohl von alldem hielt, und hatte den Eindruck, dass ihre Empörung einem gewissen Respekt gewichen war.